
Marcus Müller, Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Politikwissenschaft II, verbrachte im September zwei Wochen an der San Francisco State University, um mit anderen Forschern über aktuelle Themen der amerikanischen Gesellschaft zu diskutieren. Auch vom US-Wahlkampf konnte er sich ein Bild machen.
In diesen Tagen blickt die ganze Welt gebannt auf die USA. Wird der neugewählte 45. Präsident Donald Trump das tiefgespaltene Land wieder einen können? Oder wird der Riss durch die amerikanische Bevölkerung tiefer werden? Müller forscht seit 2014 an seiner Promotion „Die Demokratische Kontrolle des Krieges gegen den Terrorismus“ bei Professor Dr. Jürgen Wilzewski am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Außenpolitik. Es geht hierbei um die Rolle des US-Kongresses bei Fragen wie der Schließung des Gefangenenlagers auf Guantanamo oder der Ausweitung von gezielten Tötungen mit Drohnenschlägen.
Als Stipendiat des renommierten Fulbright-Programmes, eines US-amerikanischen Stipendienprogrammes, nahm er gemeinsam mit elf weiteren Nachwuchswissenschaftlern im September am zweiwöchigen American Studies Institute zum Thema „Why Black Lives Matter: Race and Politics in the US“ an der San Francisco State University teil.
Die Kampagne „Black Lives Matter“ ist entstanden, nachdem in verschiedenen US-amerikanischen Bundesstaaten Afro-Amerikaner durch Polizeigewalt zu Tode gekommen waren. Auf dem Campus der State University hat Müller mit seinen Forscherkollegen über die Bedeutung und das Zustandekommen der Bewegung diskutiert. „Als einziger Politikwissenschaftler konnte ich mit Kulturwissenschaftlern diskutieren“, sagt Müller. „Es war sehr interessant zu sehen, wie sie an das Thema herangehen. Sie haben eine andere Sichtweise.“
Als einziger Politikwissenschaftler konnte ich mit Kulturwissenschaftlern diskutieren. Es war sehr interessant zu sehen, wie sie an das Thema herangehen. Sie haben eine andere Sichtweise.
Marcus Müller
Viele Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung haben den Eindruck, dass es seit der Abschaffung der Sklaverei durchweg eine Diskriminierung – auch auf politischer Ebene – gegen die Schwarzen gegeben habe. „So gebe es einen weißen Staat, der Minderheiten unterdrücke“, so Müller. Dies schlüge sich auch in Polizeigewalt nieder. „Für Schwarze ist die Wahrscheinlichkeit, inhaftiert zu werden, deutlich höher“, sagt Müller weiter. Auch im Wahlkampf wurde das Thema diskutiert. Hillary Clinton versprach, dass Rechtssystem nach einem Wahlsieg kritisch überprüfen zu wollen.
Während seines Aufenthalts an der Westküste hat Müller einiges vom US-Wahlkampf mitbekommen. „Die erste TV-Debatte zwischen Clinton und Trump war ein großes Ereignis.“ Er sei bei einer Public Viewing Veranstaltung gewesen. In Kalifornien steht der Großteil der Bevölkerung hinter der Demokratischen Partei. „Auf dem Campus herrscht ein linksliberales Klima“, so Müller. „Die meisten haben im Vorwahlkampf Bernie Sanders, Hillary Clintons Gegner bei den Demokraten, unterstützt.“ So sehe man hier Clinton durchaus kritisch, dennoch engagierten sich viele im Kampf gegen ihren Gegner Trump. Jenseits der Küstenregionen in den eher ländlicheren Regionen um die Sierra Nevada trifft man allerdings auch auf einige Trump-Unterstützer.
Dass der amerikanische Traum auch in Teilen Kaliforniens längst ausgeträumt ist, konnte Müller auch in San Francisco beobachten – einer Stadt, die eigentlich vom Boom der Start-ups im Silicon Valley, den großen Internetkonzernen und der IT-Branche profitiert. Für viele Familien aus der Mittelschicht wird es hier aber immer schwieriger über die Runden zu kommen. Die Lebenshaltungskosten sind enorm angestiegen. Normale Gehälter reichen nicht mehr aus. Viele führen ein Leben am Rande des Existenzminimums. In San Francisco sind die Wohnungspreise in den letzten Jahren derart stark angezogen, dass es sich Normalverdiener nicht mehr leisten können, in der Innenstadt zu wohnen. „Sie weichen auf das Umland aus“, so Müller. „In der Stadt selber können nur noch die Gutverdiener aus der IT-Branche die horrenden Mieten bezahlen.“
Auch mit gesellschaftlichen Problemen wie diesen versucht die „Black Lives Matter“-Bewegung ihr Thema zu verknüpfen. Ob ihre Proteste in den kommenden Monaten Zuwachs erfahren, wird die Zeit zeigen. Zumindest sprechen die Anti-Trump Proteste an der Westküste für eine tiefe Spaltung des Landes.
Marcus Müller zeigt sich vom Ergebnis der US-Wahl überrascht: „Man wusste, dass es sehr knapp wird. Aber vieles deutete auf einen Sieg Clintons hin. Offenbar hat man die Schwäche der Kandidatin Clinton und die Anti-Establishment-Stimmung in Teilen der Bevölkerung unterschätzt. Trotz der allgemeinen Unsicherheit und der großen Polarisierung, die amerikanische Demokratie wird auch einen künftigen Präsidenten Trump verkraften. Und insbesondere Kalifornien wird angesichts des Rechtsruckes ein Left State bleiben.“

am 23.11.2016 von
Melanie Löw