
Mikrowellen? Infrarotstrahlung? – Die Begriffe sind den meisten geläufig. Doch was ist mit Terahertz-Wellen? Mit ihnen hat sich der Physiker Professor Dr. René Beigang einen Großteil seines Forscherlebens befasst. Dank der Wellen gelingt der Blick ins Innere: Sie können etwa Papier, Karton, Holz und Bekleidung durchleuchten. Das macht sie zum Beispiel für die Sicherheitskontrollen an Flughäfen und bei der Materialkontrolle in der Flugzeug-, Auto- oder Pharmaindustrie interessant.
Seit über 20 Jahren forscht Professor René Beigang schon an der TU Kaiserslautern zu Terahertz-Wellen. Er ist einer der ersten deutschen Forscher, die sich diesen hochfrequenten Wellen verschrieben haben. „Sie liegen im elektromagnetischen Spektrum zwischen Mikrowellen und Infrarotstrahlung. Für das menschliche Auge sind sie nicht sichtbar“, sagt Beigang. „Die energiearme Strahlung kann nicht-leitende Materialien durchdringen. Dazu zählen beispielsweise Papier, Holz, Keramik oder auch dünne Bekleidung.“ Sie sind nicht ionisierend und im Gegensatz zur Röntgenstrahlung unbedenklich für den Menschen.
Diese Eigenschaft macht die Wellen für unterschiedliche Anwendungen interessant. In Sicherheitsbereichen von Flughäfen können mit Terahertz-Technik Gepäck und Passagiere besser überwacht werden. Und auch in der Medizintechnik kommt die Technologie schon zum Einsatz. „Allerdings kann man sie nicht nutzen, um wie etwa bei Röntgenstrahlung ins Innere des Menschen zu blicken“, so Beigang. „Der Mensch besteht zu rund 80 Prozent aus Wasser, dieses würde die Wellen zu stark absorbieren.“ Ärzte können sie dennoch nutzen, um beispielsweise Wunden unter Verbänden zu kontrollieren.
Auch bei Qualitätskontrollen in der Industrie spielt die Technologie mittlerweile eine Rolle. Flugzeugbauer können damit etwa die Schichtdicke von Farbaufträgen an Flugzeugen überprüfen. „Die Farbschichten müssen ausreichend dick und stabil sein, zugleich sollen sie aber nicht zu viel wiegen, um Treibstoff einzusparen. Dank der Terahertz-Technik kann man die ideale Schichtdicke bestimmen“, sagt der Professor. Auch Pharmaunternehmen und Autokonzerne setzen auf die Technik, um ihre Waren zu kontrollieren.
Die Forschung zu Terahertz-Wellen steckt gewissermaßen noch in den Kinderschuhen. Erst Ende der 80er Jahre hat die Wissenschaft ein Auge auf dieses Gebiet geworfen – da die Terahertz-Wellen in einem Bereich liegen, der für damalige Anwendung eine eher untergeordnete Bedeutung hatte – im Gegensatz etwa zu Mikrowellen und Infrarotstrahlung, deren Eigenschaften man sich schon für verschiedene Techniken zunutze machte.
Zu dieser Zeit war der US-amerikanische Physiker Daniel R. Grischkowsky einer der Pioniere bei der Erforschung der Terahertzstrahlung. Er beschäftigte sich am Thomas J. Watson Research Center des Technologiekonzerns IBM mit Laserphysik. „Damals hatte ich dort die Gelegenheit, mit ihm gemeinsam zu forschen“, erinnert sich Beigang. „Den Terahertz-Wellen bin ich anschließend treu geblieben und habe meine Arbeiten dazu fortgesetzt, als ich Anfang der 90er Jahre nach Kaiserslautern gekommen bin.“
Zwar hat der Kaiserslauterer Professor kürzlich seinen Ruhestand angetreten. Dennoch geht er in seinem Labor seinen „Lieblings-Wellen“ weiter auf den Grund. Seit vergangenem Jahr hat er außerdem den Vorsitz des Deutschen Terahertz-Zentrums inne und das japanische Terahertz Forum hat ihm den Terahertz-Technologie-Preis verliehen – zwei Tatsachen, die belegen, wie stark er mit der Materie verbunden ist.
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Wir haben uns immer für zwei Seiten interessiert – sowohl für die physikalischen Grundlagen der Wellen als auch für ihren industriellen Nutzen.
Prof. Dr. René Beigang
Der Physiker und sein Team haben mit ihrem Forschungsbereich damals in Deutschland als eine der Ersten Neuland betreten und auch ein Stückweit Pionierarbeit geleistet – ihr Hauptaugenmerk lag darauf, Techniken zu entwickeln, mit denen sie Terahertz-Wellen erzeugen und anwenden können. „Wir haben uns immer für zwei Seiten interessiert – sowohl für die physikalischen Grundlagen der Wellen als auch für ihren industriellen Nutzen“, erläutert der Professor, der den Lehrstuhl für Ultraschnelle Photonik und Terahertz-Physik an der TU geleitet hat.
Für die Industrie war es vor allem wichtig, Verfahren zu schaffen, die leicht zu bedienen und zugleich sehr robust sind. Eine Methode, die Beigang und sein Team in jahrelanger mühevoller Kleinarbeit weiterentwickelt haben, beruht auf kurzen Laserimpulsen. „Mit diesen erzeugen wir auf Halbleitern einen ganz kurzen Stromimpuls“, erläutert der Professor die Technik. „Dieser Stromimpuls wiederum sendet Terahertz-Wellen aus.“ Ein weiteres Verfahren, mit dem sich die Wellen zuverlässig erzeugen lassen, setzt auf unempfindlichen Lichtfaserkabel. Diese Technologie hat Beigang gemeinsam mit Forscherkollegen des Fraunhofer-Instituts für Physikalische Messtechnik IPM aus der Abteilung „Materialcharakterisierung und -prüfung MC“ für die Anwendung nutzbar gemacht. Diese Abteilung hatte Beigang im Jahr 2005 als Projektgruppe „TeraTec“ mit großzügiger Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz gemeinsam mit dem Fraunhofer IPM ins Leben gerufen und zehn Jahre geleitet. Heute arbeiten die Forscher in einem eigenen Gebäude im Fraunhofer-Zentrum in Kaiserslautern.
Darüber hinaus haben die Wissenschaftler an bildgebenden Computerprogrammen gearbeitet, mit deren Hilfe die Ergebnisse der Untersuchungen mit Wellen besser ausgewertet werden können. „Die Software erkennt, an welcher Stelle wie viel Strahlung ankommt und setzt dies in ein Bild um“, erklärt der Physiker. Kontrolleure im Sicherheitsbereich am Flughafen erkennen dank solcher Programme zum Beispiel beim Blick auf einen Bildschirm schnell, ob in einem Koffer verdächtige Gegenstände wie etwa Sprengstoff oder Drogen enthalten sind.
Auch in der Grundlagenforschung hat die Terahertz-Technik in vielen Bereichen Einzug gehalten: Chemiker, Biologen und auch Pharmazeuten können dank ihnen die Strukturen von Molekülen herausfinden. „Sie erhalten einen spektroskopischen Fingerabdruck, der für nahezu jedes Molekül charakteristisch ist“, weiß der Professor. Physiker und Materialwissenschaftler können zudem überprüfen, aus welchem Material bestimmte Werkstoffe bestehen und wie sich ein Schichtsystem mit unterschiedlichen Materialien zusammensetzt. Auf diese Weise können sie zum Beispiel sowohl grundlegende physikalische Gesetzmäßigkeiten als auch anwendungsrelevante Eigenschaften erklären. Und auch die Nachrichtentechniker träumen davon, die Wellen für eine schnelle Datenübertragung eines Tages nutzbar zu machen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg – den Beigang im vollverdienten Ruhestand am heimischen Gartenteich mit Spannung verfolgen wird.

am 11.05.2016 von
Melanie Löw