© Patrick Jung
Auf Expedition in der Wüste
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In der endlosen Weite dem Leben auf der Spur

Die Atacama-Wüste in Chile besticht durch ihre einzigartige Landschaft, direkt am Meer auf einem Hochplateau gelegen. Bereits zum zweiten Mal war ich im Rahmen einer Expedition dort, um Flechten und Algen in einer Nebel Oase zu untersuchen. Von Salamibroten habe ich zwar erst einmal genug, aber ich würde jeder Zeit wieder meine Koffer packen, um dort hinzureisen.

Von Unispectrum live • Patrick Jung

Mit einer großen Alukiste im Gepäck – voll beladen mit Spachteln, Petrischalen, Röhrchen und verschiedenen Messgeräten – ging es für mich und meinen Kollegen Michael Schermer Anfang Februar in die Atacama-Wüste im Norden von Chile. Gemeinsam mit unserer Kollegin Dr. Karen Baumann aus Rostock sind wir in Frankfurt gestartet.

Von meiner Haustür bis ans gefühlte andere Ende der Welt haben wir 37 Stunden gebraucht. Über Madrid und Santiago de Chile ging es in den Ort Copiapo, der am Rande der Wüste gelegen ist. Für die letzten 200 Kilometer hatten wir ein Auto. Groß war unsere Freude auf ein paar Stunden Schlaf. Doch kaum angekommen mussten wir uns schon mit dem Gedanken befassen, wieder zurückzufahren. Auf die Frontscheibe fielen ein paar Tropfen Regen.

Was auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches ist, kann hier schwere Folgen haben. In dem Ort, in dem wir während unserer Expedition übernachten sollten, haben schwere Regenfälle vor ein paar Jahren dazu geführt, dass Häuser mit Schlammlawinen überflutet wurden. Als wir die Expedition geplant hatten, hatten wir beschlossen, direkt wieder nach Deutschland zu fliegen, wenn es solche heftigen Unwetter geben sollte.

Aber der Wettergott war auf unserer Seite. Müde und erschöpft kamen wir an. Wir bezogen die Zimmer in unserem Hostel. Abends gingen wir in ein Restaurant, sonst gab es in der Gegend nicht viel. In einem Supermarkt haben wir uns mit Wasser, Brötchen und Salami eingedeckt. – Salami kann ich nicht mehr sehen, aber die Wurst und das Brot waren bei den Temperaturen in der Wüste das einzig Haltbare, was wir essen konnten – ohne das Risiko einzugehen, sich den Magen zu verderben.

Im Nationalpark Pan de Azúcar haben wir Proben von Flechten, Blau- und Grünalgen gesammelt. Vor zwei Jahren war ich schon einmal dort. Damals haben wir Klima-Messstationen mit unseren Kollegen aus Marburg aufgebaut. In der Nähe davon haben wir nun unsere Proben entnommen. Dazu durften wir abseits der Besucherwege mit unserem Geländewagen im Park unterwegs sein.

Flechten finden sich hier an vielen Stellen, etwa auf Kakteen. Sie springen jedem Besucher direkt ins Auge. Für die Algen braucht es schon einen genaueren Blick: Es gibt Arten, die unter Steinen wachsen, die aus natürlichem Gips oder Quarz bestehen. Die Sonneneinstrahlung ist ihnen zu hoch, aber unter dem weißen Stein kommt noch genug Licht an, um Photosynthese zu betreiben. Hebt man die Steine hoch, sieht man direkt einen grünen Biofilm. Daneben finden sich Arten, die sich im Gestein angesiedelt haben. Durch biologische Verwitterungsprozesse gelangen sie ins Innere.

Auch wenn es sich um eine Wüste handelt, haben es Flechten und Algen geschafft, mit den Bedingungen hier zurechtzukommen. Wasser erhalten sie durch den regelmäßig aufziehenden Nebel, den Camanchaca, der die Region zu einer Nebel Oase macht. Die Atacama-Wüste liegt auf einem Hochplateau direkt am Pazifik. Die feuchte Luft steigt über dem Wasser auf und wandert landeinwärts. Das reicht den wenigen, spezialisierten Pflanzen und Kakteen vollkommen aus. Gleiches traf auch auf die Guanacos zu, eine mit dem Lama verwandte Kamelart. Beinahe täglich sind uns ein paar Tiere über den Weg gelaufen.

Jeden Tag waren wir unterwegs: Bis in den Park sind wir rund anderthalb Stunden gefahren – immer mit einem großen Kanister mit Trinkwasser im Gepäck, falls wir plötzlich mitten im Nirgendwo liegen bleiben.

Die Landschaft hat mich sehr beeindruckt, oft haben wir direkt am Rand des Hochplateaus gearbeitet mit Blick auf das Meer. Aber auch die Felsformationen, die je nach Tageszeit unterschiedlich in der Sonne erstrahlen, und die endlose Weite sind ein tolles Naturschauspiel.

Darüber hinaus waren die Menschen sehr herzlich. Vor allem die Ranger des Nationalparks, die uns den Schlüssel gegeben haben, damit wir jenseits der Absperrungen auf das Gelände konnten. Zwar konnten wir nur etwas Spanisch und sie kein Englisch, aber die Verständigung klappte. Mithilfe einer Kollegin, die derzeit in Chile forscht und mittlerweile gut Spanisch spricht, haben wir ihnen später sogar von unserer Arbeit erzählt. Erstaunlicherweise wussten sie bis dahin gar nicht, was es mit den Flechten und Algen auf sich hat.

Das führte zu meiner bislang schönsten Erfahrung: Ich habe ihnen in einem Vortrag mehr über die Flechten und unserer Forschung erzählt. Meine Kollegin hat simultan übersetzt. Gebannt haben sie zugehört und viele Fragen gestellt. Für das Informationszentrum des Nationalparks haben wir im Anschluss ein Poster gedruckt, auf dem Wissenswertes zu den Pflanzen aufgelistet war.

Die Ranger waren mit Feuereifer bei der Sache. Am nächsten Tag hat mir einer von ihnen noch einmal herzlich gedankt. Zwei Stunden, bevor wir wieder an der Station vorbeigekommen sind, habe er schon auf uns gewartet.

Das war schön zu sehen, dass unsere Arbeit etwas bringt. Zumal es Pläne gibt, eine Autobahn durch den Nationalpark zu bauen. Flechten vertragen keine Abgase, in der Nähe von Parkplätzen auf dem Gelände sterben sie ab. Dieses Phänomen haben wir schon anderen Orts gesehen. Auch gibt es Studien dazu. Die Ranger hoffen nun mit Hilfe unserer Ergebnisse über die Krusten auf Gehör zu stoßen, um den Bau zu verhindern.

Rückblickend war die Zeit in der Wüste zwar anstrengend, jeden Tag waren wir im Gelände und der außerordentlich starken Sonne ausgesetzt. Aber schon kurz nachdem ich zurück zu Hause war, hätte ich meine Koffer sofort wieder gepackt, um wieder nach Chile zu reisen. Im Zweifel auch mit Salami-Broten als Verpflegung.

 

Bild des Benutzers Melanie Löw
Erstellt
am 21.03.2019 von
Melanie Löw

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