© Manuel Streicher (li.), Professor Sven O. Krumke und Eva Schmidt Foto: TUK/TK
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Komplexe Rechenverfahren sichern künftig die Notarztversorgung auf dem Land

Wie ist es um die notärztliche Versorgung auf dem Land bestellt? Stehen in Zukunft genügend Notärzte zur Verfügung? Wie wird eine ausreichende Versorgung, auch in entlegenen Orten, garantiert? Wo fehlen notärztliche Dienststellen? An diesen Fragen forschen die Mathematiker Professor Dr. Sven O. Krumke, Manuel Streicher und Eva Schmidt.

Von Unispectrum live • Melanie Löw

Ein mathematisches Modell aus Gleichungen, Ungleichungen und Variablen hört sich erst einmal sehr abstrakt an und nicht nach einer neuen Strategie, um die Notarztversorgung im ländlichen Raum zu verbessern. Für die Forscher der Arbeitsgruppe Optimierung an der TU Kaiserslautern sind die Formeln jedoch Teil ihres Optimierungsmodells. Die Mathematiker um Krumke lösen solche komplexe Probleme des Alltags mit ihren Rechenverfahren. „Um eine optimale Notarztversorgung zu gewährleisten, sind für unsere Berechnungen zwei Faktoren wichtig“, erklärt Professor Krumke. „Zum einen eine schnelle Erreichbarkeit der Notfälle, zum anderen eine ausreichende Abdeckung aller Fälle durch die Notärzte.“ 

Für Rettungsdienste gibt es in jedem Bundesland gesetzliche Vorgaben, wie schnell sie an einem Einsatzort eintreffen müssen. In Rheinland-Pfalz sind dies zum Beispiel 15 Minuten Fahrzeit. Aufgrund des demographischen Wandels und den damit verbundenen erhöhten Einsatzzahlen, wird es im ländlichen Raum in Zukunft aber immer schwerer sein, eine solche Versorgung sicherzustellen. 

In ihr mathematisches Modell lassen die Kaiserslauterer Forscher viele Daten einfließen, die für die Versorgung von Notfällen relevant sind. Dazu zählen etwa die zunächst unbekannte Anzahl der eintretenden Notfälle, aber auch die Anfahrtszeiten zu den Notfällen und die räumliche Verteilung der Rettungswachen. „Wir unterteilen hierbei ein betrachtetes Gebiet in mehrere Regionen und legen auf Basis historischer Daten für jede Region ein Minimum und ein Maximum an Notfällen fest“, sagt Manuel Streicher, der im Rahmen seiner Doktorarbeit an dem Projekt forscht. Dabei kann in jeder einzelnen Region der schlimmste Fall eintreten, jedoch wird verhindert, dass dieser in allen Regionen gleichzeitig auftritt. In diesem Zusammenhang sprechen die Mathematiker auch von „robusten Modellen“, die ebenfalls Extremsituationen berücksichtigen, wie Krumke erläutert: „Das Besondere an unserem Modell ist, dass die medizinische Versorgung auch für Szenarien sichergestellt ist, in denen in vielen Regionen das Maximum an Notfällen eintritt.“ 

Die Mathematiker der TUK arbeiten dabei eng mit Kollegen des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM zusammen, mit denen sie diese komplexen Prozesse in Computersimulationen durchspielen. Dabei testen sie unter anderem, wie sie Notärzte auf schwach besetzte Gebiete am besten umverteilen oder wie die Verteilung der Einsätze in der Zukunft aussehen könnte. 

Neben Krumke und Streicher ist auch Eva Schmidt am Vorhaben beteiligt – mittlerweile im Rahmen ihrer Promotion. Zuvor hat sie bereits in ihrer Masterarbeit am Projekt gearbeitet: „Ich habe untersucht, wie im Rettungsdienst eine sinnvolle Einteilung der Notärzte zu den Notfällen erfolgen kann, um eine optimale Versorgung sicherzustellen“, sagt Schmidt. Mit diesen Erkenntnissen wird die Doktorandin daran arbeiten, solche Einsätze systematischer zu planen und klarer zu strukturieren, welcher Arzt wann zu welchem Notfall fährt. 

Das Projekt berücksichtigt auch den Ärztemangel in vielen Regionen, der sich in den nächsten Jahren nicht bessern dürfte: Sollten sich die Einsatzzahlen in den kommenden zehn Jahren verdoppeln, würde nicht die doppelte Anzahl an Medizinern gebraucht: „Mithilfe der mathematischen Verfahren und Simulationen kann die Verteilung der Ärzte auf die Rettungswachen so optimiert werden, dass auch steigende Notfallaufkommen abgedeckt werden können“, sagt Krumke.  

Mehr zum Projekt Health: Facility Location, Covering and Transport - HealthFaCT

Das Forschungsprojekt „HealthFaCT“ wird seit Januar 2017 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Neben der Notarztversorgung sind auch Apothekennotdienste und Krankentransporte Themen des Projekts. Zusätzlich zur TUK und dem Fraunhofer ITWM sind auch die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen daran beteiligt.

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Erstellt
am 23.10.2018 von
TU Admin

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