© Thomas Koziel
Von Kamerun nach Kaiserslautern:
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Mit 16 zum Studium in die Ferne

Als 16-Jähriger seine Heimat, die Eltern, Freunde und das gewohnte Umfeld zu verlassen, ist ein mutiger Schritt. Genau das hat Jean Oscard Domguia Teto für sein Studium getan. Im September 2014 ging es für ihn von Kamerun nach Rheinland-Pfalz, wo er an der TU Kaiserslautern mittlerweile im vierten Semester Maschinenbau studiert.

Von Unispectrum live

„Zwar machen viele Menschen in meinem Heimatland Abitur, danach haben sie aber keinerlei Perspektive, einen Job zu finden oder gar ein Studium oder eine Ausbildung zu absolvieren“, weiß Jean Oscard Domguia Teto. „Außerdem ist es sehr schwer, einen Studienplatz zu bekommen, vor allem in den Ingenieurwissenschaften, da es nur wenige Universitäten im Land gibt.“ So stand für den jungen Mann schon recht früh fest, dass er zum Studium ins Ausland gehen wird. Da seine Schwester und sein Bruder zu diesem Zeitpunkt schon in Deutschland studierten – die Schwester an der Fachhochschule in Worms, der Bruder an der Fachhochschule in Darmstadt –, war die Entscheidung, wohin es denn gehen sollte, auch schnell getroffen. 2014 zog er zu seinem Bruder nach Ludwigshafen, wo auch seine Tante und sein Onkel leben. Von dort pendelt er nun jeden Tag mit dem Zug nach Kaiserslautern.

Da Teto erst in diesem April volljährig wird, übernahm sein Bruder die Vormundschaft – und nach wie vor trifft er alle wichtigen Entscheidungen. So war er es auch, der sich um einen Studienplatz für seinen kleinen Bruder an der TU Kaiserslautern gekümmert hat. Damals – kurz nach dem Schulabschluss – wusste Teto noch nicht genau, welches Fach es für ihn sein soll. „Ich habe einfach überlegt, was passen könnte“, erinnert er sich. In der Schule sei er immer gut in Mathematik und den Naturwissenschaften gewesen, sodass ihm klar gewesen sei, ein Fach in diesen Bereichen könne passen. Zunächst schrieb er sich in Elektrotechnik ein, wechselte aber kurze Zeit später zum Maschinenbau. Hier ist er mittlerweile im vierten Semester.

Um im Studium zurechtzukommen, hat der junge Mann vor seiner Abreise nach Deutschland noch einen einjährigen Deutschkurs absolviert – viele seiner Landsleute brauchen 18 Monate und mehr, um Deutsch zu lernen. Dennoch war der Sprachunterricht in seiner Heimat etwas komplett Anderes als das Deutsch an der TU, das auch noch mit jeder Menge Fachwörter daherkam. „Bei meiner ersten Vorlesung habe ich einfach nur im Hörsaal gesessen und dem Professor zugehört, ohne wirklich etwas zu verstehen“, erinnert er sich. „Es wurde aber schnell besser. Mittlerweile ist die Sprache kein Problem mehr“, sagt Teto fast akzentfrei. Und auch an die andere Lernkultur hat sich der junge Kameruner schnell gewöhnt. „Die Bildungssysteme unterscheiden sich sehr“, so Teto. „In Kamerun widersprechen Studenten den Professoren zum Beispiel nicht.“ Das autoritäre Denken sei noch stärker ausgeprägt. Hier hingegen werde auch schon mal diskutiert – aber ohne, dass Studenten mit Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie anderer Meinung seien als der Dozent. Auch die gute Betreuung an der TU hat Teto zu schätzen gelernt. „Das gibt es in Kamerun so nicht“, berichtet er.

Die Bildungssysteme unterscheiden sich sehr.

Jean Oscard Domguia Teto

Seine Tage auf dem TU-Campus sind stets gut gefüllt: Denn er muss nicht nur Vorlesungen und Seminare besuchen, sich auf Klausuren vorbereiten und Praktika absolvieren, er arbeitet außerdem gleich an drei Lehrstühlen als wissenschaftliche Hilfskraft. So betreut er etwa als Tutor Erstsemester bei den Übungen zum Fach Höhere Mathematik für Ingenieure. Bei Professor Dr. Jörg Seewig am Lehrstuhl für Messtechnik und Sensorik arbeitet er wiederum mit Software, um Roboter zu programmieren. „Hierdurch bekomme ich einen praktischen Einblick in die Wissenschaft. Das gefällt mir“, so Teto. Überhaupt bevorzuge er Fächer, bei denen es darum gehe, sich zum Beispiel Gesetzmäßigkeiten herzuleiten wie in Mathematik, Elektrotechnik und Maschinenbau. Das liege ihm mehr, als den Lernstoff einfach nur auswendig zu lernen.

Wie es für ihn nach dem Bachelorabschluss weitergeht, weiß er noch nicht. Einen Master anschließen und später promovieren, sei auf jeden Fall ein Traum. Aber ob er seine Doktorarbeit an der TU oder in einer Firma angehen will, lässt er sich offen. Auch ein Auslandsaufenthalt ist für ihn eine Option. „Da Französisch Amtssprache in meiner Heimat ist, gehen viele Kameruner nach Frankreich“, sagt Teto, der im Rahmen des Deutschlandstipendiums vom Kaiserslauterer Technologiekonzern SKS Welding Systems gefördert wird. „Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Um sein Englisch zu verbessern, möchte er lieber nach England, Kanada oder in die USA gehen.

Um pünktlich um Viertel nach Acht in der Vorlesung zu sitzen, klingelt für ihn an manchen Tagen schon um fünf Uhr der Wecker. Viel Zeit für Privates bleibt Teto neben seinem Studium, seinen Stellen als Hilfskraft und dem Pendeln zwischen Ludwigshafen und Kaiserslautern nicht. So hat er auch noch nicht wirklich Anschluss an der TU gefunden, außer bei den Kommilitonen in seinem Studiengang, mit denen er in einer Arbeitsgruppe zusammen lernt.

Nun steht im April erst einmal der 18. Geburtstag an. Ob er dann plane, in eine eigene Wohnung nach Kaiserslautern zu ziehen? Nein, das komme derzeit nicht in Frage, er fühle sich wohl in Ludwigshafen bei einem Teil seiner Familie. Der Familienanschluss hilft ihm auch bei seinem Heimweh, da seine Eltern und weitere Geschwister nach wie vor in Kamerun leben. Aber zurückzugehen, könne er sich derzeit nicht vorstellen. Da ihm dort immer noch eine Perspektive fehle.
 

Bild des Benutzers Melanie Löw
Erstellt
am 13.04.2016 von
Melanie Löw

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